Wieso lebst du denn in Griechenland, in diesem korrupten Pleiteland?

Wieso lebst du denn in Griechenland, in diesem korrupten Pleiteland?

Seit Griechenland in der finanziellen Krise steckt, werde ich diese Frage fast täglich gefragt. Und als ich plante, aus Deutschland wegzugehen, fragten mich all meine Freunde und Verwandten fast das gleiche: Was willst du denn in Griechenland? In diesem korrupten und chaotischen fast Drittewelt Land, von dem man nichts Gutes hört, außer, dass es dort schönes Wetter gibt und ein tolles Urlaubsland ist. Da verdienst du doch nichts!! Als ich dann hier ankam, fragten mich die Griechen, aus welchem Grund ich denn das gute und sichere Deutschland verlassen hätte und HIERHER gekommen wäre, ob ich denn verrückt sei! Hier würde ich keinen so guten Lohn bekommen wie in Deutschland. Sie würden mit mir liebend gerne tauschen.

Ja, und jetzt in der Krise fragen sie mich wieder, was mich hier noch hält. Viele Griechen sind in den letzten drei vier Jahren nach Deutschland emigriert. Ich aber, die halb Deutsche halb Griechin, die doch in Deutschland geboren und aufgewachsen sei und die Unterschiede zu beiden Ländern kennt, entscheidet sich trotzdem hierzubleiben? Verrückt, unglaublich, gänzlich unverständlich, sowohl für die meisten Griechen hier und in Deutschland lebenden als auch für viele Deutsche und andere Nordeuropäer.

Ja, was hält mich hier? Warum gehe ich nicht zurück? Das möchte ich euch in diesem Artikel, meinem ersten erzählen.

Schon als Kind war es mein Traum hier zu leben. Natürlich habe ich dabei nicht an das Geld gedacht und an all die anderen Konsequenzen, die diese Entscheidung mit sich führen würden. Schon damals fühlte ich mich freier hier als in Deutschland. Ich fühlte mich angenommen und geliebt, so wie ich bin. Niemand hat gefragt, warum ich so einen komischen Nachnamen hatte, da dieser hier sehr gewöhnlich ist. Niemand hat auf mich heruntergeschaut, weil ich keine Markenklamotten trug. Niemand hatte mich jemals ausgelacht wegen meines Aussehens. In der Grundschule in Deutschland hatte ich leider andere Erfahrungen gemacht.

Nun lebe ich schon seit 20 Jahren hier. Und wenn ich zurückschaue, kann ich sagen, dass das Leben hier nicht immer leicht war und jetzt sogar noch schwieriger geworden ist. Aber es ist trotzdem schön und ich bereue nicht einen Moment für meine Entscheidung, hier zu leben.

Was macht das Leben hier aus, trotz der Krise? Wie schon erwähnt, fühle ich mich freier. Ich fühle mich nicht so gezwungen und unter Druck, wie in Deutschland. Ich fühle mich nicht mehr so gehetzt, alles jetzt sofort machen zu müssen, oder besser gleich noch gestern gemacht zu haben. Wie das schöne deutsche Sprichwort doch sagt: „Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“. Das hat mir meine Mutter immer gesagt. Aber nach diesem Motto lebe ich schon lange nicht mehr. Ich lebe lieber nach dem griechischen Motto: „Mach dir keinen Stress, morgen ist auch noch ein Tag. Immer mit der Ruhe. Siga Siga, – langsam langsam.“

In den Dörfern geht es sogar noch langsamer zu als in den Städten. Das ist aber überall auf der Welt so.

Außerdem fühlt es sich für mich hier auch nicht mehr so schlimm an, mit weniger Geld zu leben als in Deutschland. In Deutschland hatte ich immer das Gefühl, am Rande der Gesellschaft zu sein, wenn ich nicht einen bestimmten Lebensstandard hatte. Hier in Griechenland habe ich gelernt, mit dem glücklich zu sein, was ich habe. Was die Leute über mich denken, ist mir egal geworden. Auch hier gibt es den Stress einen möglichst hohen Lebensstandard zu erhalten. Deswegen leiden auch sehr viele Griechen unter der Krise. Einer öffentlichen Studie nach leiden die meisten Griechen darunter, nicht mehr so oft ausgehen zu können, wie vor der Krise. Da konnten sie jede Woche zwei- dreimal in eine Taverne gehen. Heute geht es höchstens zweimal im Monat, was für mich auch schon oft genug ist. Ich persönlich bin nie so oft ausgegangen, höchstens einmal in zwei, drei Monaten. Warum? Einmal, weil es mich nicht so interessiert und ich mich lieber in der Natur aufhalte oder Leute besuchen gehe und zum anderen, weil ich mein Geld für wichtigere Dinge ausgeben möchte, wie Aktivitäten und Reisen mit meiner Familie.

Vielleicht fragen mich jetzt einige Leser, wie ich hier mein Geld verdiene. Hauptberuflich bin ich Deutschlehrerin. Ich arbeite jedoch nur privat. Das heißt, dass ich zum einen zu Privatpersonen gehe und ihnen Deutsch unterrichte oder ich arbeite für private Spracheninstitute. Hier in Griechenland ist es allerdings sehr schwer geworden, sich als Freiberufler zu finanzieren, vor allem, wenn man Familie hat. Da ist es schon fast unmöglich geworden, davon allein eine ganze Familie zu ernähren. Deshalb arbeiten in den meisten griechischen Haushalten beide Partner, wenn der eine nicht gerade arbeitslos ist. Wenn beide arbeitslos sind, so helfen die Großeltern meist aus. Gibt es die nicht mehr, so sieht es schwarz aus. Ein ausgereiftes soziales System, das einen auffängt, so wie wir es in Deutschland gewohnt sind, gibt es hier nicht. In den Großstädten sind viele Familien obdachlos und die Kinder deshalb in einem Heim untergebracht, damit sie Essen und Schulbildung haben. In so einer tiefen Krise steckt meine Familie Gott sei dank nicht. Trotzalledem macht die Krise viele Menschen hier erfinderisch.

Davon und von vielen anderen Sachen erzähle ich euch aber in kommenden Artikeln. Wie zum Beispiel: Wenn aus Träumen Schäume werden, was dann..?

Alles Liebe euch nach Deutschland.

Eure Nicki Vlachou

4 Antworten

  1. Die besten ( wirklich wertvollen ) Sachen sind im Leben umsonst.
    Und wie vielen reichen und unglücklichen Deutschen bin ich bereits begegnet …
    Ich beneide dich um diese wunderschöne Umgebung die man auf den Bildern sieht.

    viel Gesundheit und alles Gute

    Liebe Grüße
    Beata

    1. Danke, liebe Beata. Das macht mir Mut, hier in Griechenland weiterzumachen, trotz aller Schwierigkeiten. Ja, die Umgebung ist wirklich ein Traum und ich bin so dankbar, hier leben zu können.

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